Mit spitzer Feder …

    Hören wir endlich auf mit diesem Affentheater!

    Nach dem verheerenden Brand im Krefelder Zoo in unserem Nachbarland Deutschland fordern viele den raschen Wiederaufbau des zerstörten Affengeheges. Viele trauern um die Menschenaffen. Es ist ein Drama und schrecklich, dass die Tiere auf eine so grausame Art streben mussten – nämlich lebendig gefangen in einem brennenden Käfig. Für mich liegt die zentrale Tragik dieses Unglückes jedoch darin, dass dort jahrzehntelang Gorillas, Orang-Utans und Schimpansen auf engstem Raum eingesperrt sind. Sie mussten auf nacktem Betonboden hocken – ohne Zugang zu einem Aussengehege. Zahlreiche Zoobesucherinnen und -besucher, die jetzt den Verlust ihrer Fast- Art-genossen betrauern, fordern nun vehement den Wiederaufbau des Affenkäfigs – notabene aus Liebe. Da frage ich mich schon. Aus Liebe zu Schimpansen oder Orang-Utans? Wohl eher aus Liebe zum fast rituell vollzogenen Zoobesuch an Muttertag, Pfingsten oder Fronleichnam. Ein interessantes Phänomen übrigens: Kaum gibt’s Nachwuchs, wird das Kind als Erstes in den örtlichen Zoo gekarrt. Auch Kitas und Schulen machen ständig Ausflüge in den Zoo. Für mich als Kind war ein Zoobesuch allerdings immer schon ein zweischneidiges Schwert: Einerseits war ich als wissbegieriges Kind gespannt auf die wilden und fremdländischen Tiere. Ich wollte möglichst viel über ihre Lebensweis und Herkunft erfahren. Auf der anderen Seite taten sie mir immer leid, weil sie eingesperrt waren. Der traurigste Ort im Zoo war für mich immer das Affenhaus – heute als Erwachsene mache ich einen grossen Bogen darum. Die tieftraurigen Gesichter hinter der Glasscheibe haben mich immer sehr berührt. Vielleicht weil Menschenaffen unsere engsten biologischen Verwandten sind. In kognitiver, sozialer und emotionaler Hinsicht unterscheiden sie sich allenfalls graduell von uns. Wenn ich auf einer Infotafel lese, dass Orang-Utans im tropischen Regenwald Indonesiens leben, und das fast ausschliesslich hoch oben in den Bäumen, wo sie sich ihre Schlafnester bauen, dann hat das nicht das Geringste zu tun mit dem Tier, das im Zoo teilnahmslos hinter einer Glasscheibe auf nacktem Betonboden herumhockt und sich zu Tode langweilt.

    Freiheit ist nebst der Gesundheit das höchste Gut des Menschen, ja eines jeden Lebenswesens. Kein Geschöpf der Welt ist gerne eingesperrt und ist sein Käfig noch so golden und noch so seiner natürlichen Lebensweise angepasst.  Es wird damit seiner Freiheit und da-mit seinem freien Lebenswillen und seinen sozialen Bedürfnissen beraubt. Das ist eine Tatsache und nicht vom Tisch zu wischen. Was Freiheit bedeutet, habe ich gerade kürzlich wieder erfahren. Dabei musste ich an meine letzte Kätzin Chou-Chou denken. Ich habe immer noch ein schlechtes Gewissen. Ich übernahm die gesundheitlich angeschlagene, ältere Rassenkatze aus dem Tierheim. Sie galt als Wohnungskatze und war nicht gewöhnt, draussen herumzustromern. So sorgte ich dafür, dass sie auch immer drinnen bleib. Zwei Mal habe ich sie eingefangen, als sie ausgebüchst war. Jetzt würde ich nicht mehr so handeln. Dies war egoistisch, eigensüchtig und hat mit Tierliebe nichts mehr zu tun.  Heute würde ich sie rauslassen und auf ihren Instinkt, ihre Liebe und Treue zu mir vertrauen.

    Und genau so verhält es sich mit der Haltung von Tieren in Zoogefangenschaften. Wie soll ein Eisbär, der in freier Wildbahn Reviere von bis zu 30’000 Quadratkilometern durchstreift – fast so gross wie die Schweiz – bedürfnisgerecht gehalten werden können auf einer Fläche, die noch nicht einmal der eines Fussball-Strafraums entspricht? Affen, Bären, Elefanten, Delfine, Grosskatzen haben in Zoos definitiv nichts verloren. Je mehr der unnatürliche Lebensraum im Zoo die Tiere in ihren art-typischen Verhaltensmöglichkeiten einschränkt, desto weniger sollten sie in Gefangenschaft gehalten werden. Hand aufs Herz: Zum Kennenlernen von Gorillas oder Orang-Utans ist eine Begegnung mit einem lebenden Exemplar nicht nötig. Jeder Dokumentarfilm vermittelt mehr Kenntnis und Wissen und weckt mehr Empathie, als ein Zoo-besuch dies je könnte. Im Übrigen steckt in jedem Schmetterling am Wegesrand mehr Natur als in allen Zoos zusammengenommen.

    Ist zu hoffen, dass die Feuerkatastrophe von Krefeld zur Folge haben, dass über die Haltung von Menschenaffen wie auch anderen Wildtieren in Zoos grundsätzlich nachgedacht wird. Wahrscheinlich wer-den weniger die Zoodirektoren darüber nachdenken, aber vielleicht die Politiker, die über millionenschwere Subventionen entscheiden, die jedes Jahr aus Steuergeldern in die Zoos fliessen. Also hören wir endlich auf mit diesem Affentheater!

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund
    Verlagsredaktorin

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